Januar




Erinnerung an Schulpforta

Ernst Ortlepp
(1800 – 1864)

Kennst du das Thal, wo still die Saale fließt,
Wo hinter’m Wald die Rudelsburg dich grüßt,
Wo Aeolus das Felsenthor durchweht,
Wo fern der Welt ein stilles Kloster steht:
Kennst du es wohl?
Dahin, dahin
Lass dich von der Erinn’rung Armen zieh’n!


Kennst du den Berg, der in die Wolken reicht,
Den Musensitz, der dem Parnasse gleicht?
Und festlich wallt ein bunter Zug empor,
Und Tanz beginnt nach froher Lieder Chor –
Kennst du ihn wohl?
Dahin, dahin
Noch einmal träume sich dein heit’rer Sinn!


Kennst du den Wald, der von dem Berge blickt,
Wo manche Stirn den Lorbeer sich gepflückt?
Die Mauer weicht – und ein Poetengang!
Ein heil’ger Quell mit ew’ger Lieder Klang!
Kennst du ihn wohl?
Dahin, dahin
Will ihren Freund der Arm der Muse ziehn!


Kennst du den Fluß, der sanftgewunden rollt?
Es blinkt aus ihm der Jugendjahre Gold,
Und Weinberghäuser sehen still herab,
Und alte Freunde steigen aus dem Grab!
Kennst du ihn wohl?
Dahin, dahin
Wird oft der Geist voll süßer Wehmut flieh’n!
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Ernst Ortlepp, Schüler der Fürstlichen Landesschule Pforta           von 1812 – 1820, war mit vielen Begabungen gesegnet, konnte diese aber leider nicht erfolgreich ausleben. Er scheiterte an den Umständen seiner Zeit und an seinen menschlichen Schwächen.
Schulpforta war für ihn der Ort, wo er sich glücklich fühlte, wo er    im Alter unter den Schülern Zuflucht suchte und zum väterlichen Freund von Nietzsche wurde. Hier endete sein Leben unter ungeklärten Umständen. Nur seine Werke und eine schmucklose Gedenktafel auf dem Friedhof erinnern an diesen zu Lebzeiten so unglücklichen Menschen.



Februar




Das kleine Kunstwerk

Es zählt vermutlich zu den weniger bekannten Kunstwerken in      der Pforte. Gut sichtbar hängt die steinerne Tafel über der        kleinen Speisesaaltür.

Auch wenn die dargestellte Szene für den Betrachter eindeutig      ist, ergeben sich doch viele Fragen.
Dass das Relief aus der Klosterzeit stammt, kann angenommen werden.
Vielleicht gehörte es zu einem Kreuzweg.
Doch wo sind die übrigen Kreuzwegstationen geblieben?

Oder war die Tafel ein Einzelstück?
Sie ist noch immer in einem gut erhaltenen Zustand.
Selbst die Gesichtszüge der handelnden Personen sind zu    erkennen. Sie muss von einem erfahrenen Bildhauer stammen –
vielleicht von dem Künstler, der auch die Betsäule vor dem      Torhaus geschaffen hat.

Eine weitere Frage stellt sich:
Da das Relief ursprünglich nicht für diesen Platz gedacht war,   warum ist es gerade über der Speisesaaltür angebracht worden?
Zuerst hing es mittig, dann muss es versetzt worden sein.     Warum nur?

Professor Wilhelm Corssen, von 1846 – 1866 Lehrer in Schulpforte und Verfasser des bedeutsamen Werkes über die
„Alterthuemer und Kunstdenkmale des Cisterzienserklosters St. Marien und der Landesschule zur PFORTE“                        (erschienen 1868 in Halle), berichtet in dem Kapitel „Bildwerke, die nicht an Kirchenbauten haften“,
dass nach „Aussage eines älteren Augenzeugen“
das Relief der Kreuztragung in eine Wand im alten  Ökonomiegebäude eingefügt war und später in der Trinitatiskapelle der Klosterkirche aufbewahrt wurde.
Corssen beschreibt ausführlich die Szene und meint, dass das   Relief aus dem fünfzehnten Jahrhundert stammt.

Wann und warum es von der Trinitatiskapelle in den Kreuzgang
verlegt wurde, konnte ich nicht in Erfahrung bringen.
Auch Rückfragen bei Kennern der Pfortenser Geschichte
brachten keine weiteren Erkenntnisse.

Dr. Pahncke hat in seinem Buch die Steintafel nicht erwähnt,    obwohl sie zu seiner Zeit bereits an dieser Stelle im Kreuzgang   hing. Ich bin mir sicher, dass das kunstvolle Relief der Kreuztragung   seine Geschichte hat.



März





Frühlingsstimmung


Es war ein trister Morgen im März.
Die Sonne wollte sich noch nicht zeigen.
Ein zarter Nebelschleier lag über dem Knabenberg.

Dennoch spürte man bereits den frischen Duft des nahenden Frühlings.
Der Winter, der im Saaletal ohnehin nicht so streng ist, war  endgültig überstanden, daran gab es keinen Zweifel mehr.

Man ahnt, die Natur erwacht.
Der Rasen hatte unter der kalten Jahreszeit nicht sehr gelitten     und die Platane, der Mittelpunkt des Schulgartens,
die grauen Monate gut bewältigt.
Bald wird sie die winterliche Schutzrinde abwerfen
und ihr unverwechselbares Blattgrün entwickeln.

Auch wird es nicht mehr lange dauern,
dann werden junge Leute auf der Bank sitzen,
ebenso ehemalige Schüler, die in Erinnerungen schwelgen.

Schlicht wirken auf dem Bild die historischen Bauten im    Hintergrund: die ehemalige Turnhalle, die nun ausgedient hat,
und gegenüber die Abtskapelle, das ‚Kleinod romanischer    Bauweise’.
Inmitten des Bildes erhebt sich, hinter noch kahlem Geäst,
der frühgotische Ostchor der Klosterkirche mit den beiden Dachreitern, die keine Türme sein durften.

Sobald sich die Sonne zeigt,
werden die Dächer und die Gemäuer in ihren
unverwechselbaren Farben leuchten und sich trefflich in Szene setzen.
Dann beginnt endlich die wiedererwachende Jahreszeit,
die den Schulpark in einen Garten Eden verwandelt

Üben wir uns in Geduld
und freuen uns schon jetzt auf das,
was uns die Natur bescheren wird.



April




Das Mühlengebäude


Es sieht alt und leidend aus – das Mühlengebäude an der Kleinen Saale.
Wie alt es wirklich ist, weiß man nicht.
Viele Fragen nach dessen
Entstehung und Nutzung lassen sich nicht mit Bestimmtheit beantworten,
obwohl sich im Laufe der Jahre viele Historiker mit der
Geschichte des ehemaligen Klosters Pforta
und der Schule beschäftigt haben.

Manch einer sagt, dass die Natur so unberührt nicht war, als sich   die Zisterzienser-Mönche 1137 hier ansiedelten.

Zwei wuchtige schmucklose Rundbögen im Mühlengebäude
würden darauf hindeuten, dass hier schon um die  Jahrtausendwende Menschen gelebt und an einem Kirchenbau gearbeitet hätten.

So ungleich die Meinungen über die in die Jahre gekommene Mühle sind,
genau so unterschiedlich sind auch die Auffassungen über die
Entstehung der Kleinen Saale.

Professor Wilhelm Corssen, ein begnadeter und von den Schülern geschätzter
Geschichts- und Lateinlehrer, vertritt die Ansicht,
dass Benediktiner-Mönche vom Kloster St. Georg in Naumburg schon 1103
von der Saale dicht über dem Kösener Wehr einen Mühlgraben abgeleitet
und an dessen Ufer eine Mühle errichtet haben.
Schon vor der Zeit der Zisterzienser-Mönche „hausten“ dort Müllerleute.

Dr. Robert Pahncke, ein ebenso verdienstvoller Lehrer der Schule,
der Corssen schon mal widerspricht, ist der Auffassung,
dass die Kleine Saale (die parva Sala) ein Werk der Pfortenser Mönche ist,
angelegt in der Zeit zwischen 1140 und 1180.
.

Wer immer die Kleine Saale (auch Klostersaale genannt) angelegt hat,
hat Großartiges geleistet.
Mit primitiven Arbeitsmitteln haben sich die Menschen
durch das steinige, doch meist sumpfige Erdreich gekämpft.

Der künstlich angelegte Verlauf der Kleinen Saale
hat die Errichtung der Klosteranlage erst möglich gemacht.